Mit einer „Emotion namens Europa“ und Zukunftskonzepten die Krise Europas überwinden

Veröffentlicht am 05.05.2017 in Allgemein

Die Zukunft der Europäischen Union beschäftigt uns auch in Hamburg

Am 25. März 2017 haben europäische Föderalist*innen in Rom des 60. Jubiläums der Römischen Verträge mit einem „March for Europe“ gedacht und Flagge gezeigt für ihre Vision eines vereinten Europas – zum Feiern gab es allen Grund. Denn seit 1957 haben wir den europäischen Integrationsprozess in vielerlei Hinsicht erfolgreich ausgestaltet.

Um auf einige wenige Errungenschaften hinzuweisen: Wir haben einen gemeinsamen Binnenmarkt geschaffen und einen freien Verkehr von Personen, Dienstleistungen, Waren und Kapital zwischen den Mitgliedstaaten ermöglicht, wovon Hamburg in besonderem Maße profitiert. Der Wegfall von Personenkontrollen gewährleistet im Schengen-Raum ein unkompliziertes Reisen und die Vorteile der gemeinsamen Währung genießen wir ebenfalls. Ein weiteres Jubiläum kann das ERASMUS-Programm feiern: Seit 30 Jahren ermöglicht es jungen Menschen, die Ausbildung im EU-Ausland und bietet die Chance, mit anderen Jugendlichen aus ganz Europa zu lernen und zu arbeiten. Der europäische Integ- rationsprozess hat uns eine lange Phase des Friedens gebracht.

„Wir wissen, was wir Europa zu verdanken haben. [...] Das geeinte Europa ist die einzig gelungene Antwort auf unsere Geschichte und unsere Geografie“, so Frank-Walter Steinmeier im Europäischen Parlament.

Aber wir haben auch Fehler gemacht. Mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers ist Europas Wirtschaft in eine Rezession gestürzt und die EU, verfügte nicht über die Instrumente, um ihr schnell und effizient zu helfen. Es kam es zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung und einer Vertrauenskrise – die in den Ländern Südeuropas durch die von der Troika auferlegte Austeritätspolitik verstärkt wurde. Wachstum und Beschäftigung wurden gedrosselt und die „am meisten verwundbaren Gruppen“, wie der Europawissenschaftler Claus Offe ausführt, dem Marktgeschehen ausgesetzt. Dieses Wegbrechen von sozialer Sicherheit hat eine wachsende Spaltung der Gesellschaft bewirkt und den Nährboden für Populisten bereitet.

Dagegen regt sich glücklicherweise Protest, wie die wöchentlichen Demonstrationen der Bürgerbewegung Pulse of Europe zeigen, die mittlerweile in 93 Städten Europas immer sonntags zwischen 14 und 15 Uhr auf den Marktplätzen der Städte durchgeführt werden. Den Organisator*innen geht es darum, die Begeisterung für das Projekt Europa wieder zu wecken. Dass wir eine „Emotion namens Europa“ brauchen, konstatieren auch Manuel Dietz und Fedor Ruhose. Europa müsse hingegen „sozial, bürgernah, menschlich werden“. Dass wir stärker an unsere gemeinsamen Werte, wie Demokratie, Meinungs- und Pressefreiheit, Rechtsstaatlichkeit oder Toleranz, erinnern und die kulturelle Vielfalt Europas viel mehr hervorheben sollten, hat der Philosoph Julian Nida-Rümelin unlängst in einer Veranstaltung mit Knut Fleckenstein gefordert und Jean Monnet zitiert, der den Satz geprägt hat: „Wenn ich nochmals mit dem Aufbau Europas beginnen könnte, dann würde ich mit der Kultur beginnen.“ Das Entstehen einer europäischen Identität sei für das Gelingen des weiteren Integrati- onsprozesses von großer Bedeutung, ergänzt durch Konzepte, wie Europa weiter- entwickelt werden kann.

Die Diskussion darüber hat die Europäische Kommission durch die Vorlage ihres Weißbuches zur Zukunft Europas beflügelt. Darin skizziert sie fünf unterschiedliche Szenarien, die beschreiben, wie sich die EU bis 2025 entwickeln könnte. Nun obliegt es den Regierungschefs der Mitgliedstaaten, die Debatte hierüber aufzunehmen. Aus der Perspektive der Sozialdemokratie heißt es auf jeden Fall, die soziale Dimension stärker zu berücksichtigen. Der langjährige Europa-Abgeordnete Jo Leinen sagte hierzu in einem Interview mit mir: „Es ist inakzeptabel, wenn Arbeitnehmerrechte wie das Streikrecht mit Verweis auf die Marktfreiheiten eingeschränkt werden oder die Richtlinie für entsandte Arbeitnehmer zu Lohndumping führt. Leider steckt die soziale Dimension der Europäischen Union noch in den Kinderschuhen, was nicht zuletzt auf den Widerstand der Mitgliedstaaten zurückzuführen ist, die die Sozial- und Steuerpolitik als rein nationale Aufgabe begreifen. Dabei sind Mindeststandards in der Sozialpolitik auch notwendig, um faire Bedingungen im gemeinsamen Markt sicherzustellen.“

Wer sich laufend über die Geschehnisse in der Union informieren möchte, dem sei eine Mitgliedschaft in der Europa-Union Hamburg empfohlen. Sie bietet als größte Bürgerinitiative für Europa allen Menschen – unabhängig von Parteizugehörigkeit, Alter und Beruf – die Möglichkeit, sich aktiv für die europäische Idee einzusetzen. Durch Vortragsveranstaltungen, Diskussionen und Seminare bringen wir an Europa interessierte Bürger*innen zusammen und fördern den Austausch europapolitischer Gedanken. Ausreichend Gelegenheit bietet die alljährlich von der Senatskanzlei, der Europa-Union sowie vielen anderen Akteuren der europäischen Bewegung organisierte Europawoche, die in diesem Jahr zwischen dem 5. und 14. Mai stattfinden wird. Eine Übersicht über die knapp 100 Veranstaltungen finden sich im Europawochenmagazin 2017.

Text: Sabine Steppat, Landesvorsitzende der Europa-Union Hamburg, Bilder: John Strauch

 
 

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